Juni 2021
Nachhaltigkeit als Restaurierziel: Zinngießer-Haus in Ried im Innkreis (Oberösterreich)
Das Zinngießer- oder Hofmann-Haus zeigt eindrucksvoll, dass Denkmalpflege auch für Nachhaltigkeit steht.
Im Jänner 2020 erwarb der Verein Trafos (Transparent, Regional, Authentisch, Fair, Offen, Solidarisch) das zum Teil unter Denkmalschutz stehende Objekt Rainerstraße 5. Das dreigeschossige Bürgerhaus mit auffälligem, mehrfach geschwungenem Giebel und zentralem spitzbogigem Steingewändeportal beherbergte seit dem 16. Jahrhundert über eine lange Zeitspanne eine Zinngießerei
Die Bezeichnung „Zinngießer Haus“ geht folglich auf einen der ersten Besitzer, den Zinngießer Wendelin Pürck, zurück, der zudem als einer der ersten namentlich erwähnten Zinngießer Meister in Ried gilt. In den 1930er Jahren besaß die Familie Hofmann das Haus, daher auch die Bezeichnung „Hofmann Haus“.
Als der Verein Trafos 2020 das „Zinngießer Haus“ erwarb, brachte man mit diesem Denkmal Stichworte wie wirtschaftliche Abbruchreife, eingeschränkte Nutzbarkeit, höhere Baukosten und Planungseinschränkungen in Verbindung. Sehr bald standen dem jedoch Argumente wie Charme, geringere Baukosten wegen des Denkmalschutzes, mögliche Eigenleistungen und vor allem das Hauptargument „Nachhaltigkeit“ gegenüber. Zudem war die Bausubstanz im innersten Kern gut erhalten, wenngleich sie in vielen Bereichen nicht den heutigen Baunormen und Standards entsprach (Belichtungsflächen, Barrierefreiheit, Brandschutz, Fluchtwege).
Die gesamte Restaurierung erfolgte unter dem Aspekt der „Nachhaltigkeit als Bauziel“. Dieses hoch gesteckte Ziel zogen die Trafos in allen Bereichen durch. So erfüllte man nicht nur die Auflagen und Forderungen der Baunormen durch Schaffung ausreichender Belichtungsflächen, den Einbau eines Liftes zur barrierefreien Erschließung sowie die Brandschutz- und Fluchtwegauflagen, sondern man definierte den Begriff Nachhaltigkeit am Denkmal neu. Unter Nachhaltigkeit verstand man sowohl die Restaurierungen der Kastenfenster aus Lärchenholz, des Dachstuhls und der vorhandenen Holztramdecken, als auch die Verarbeitung natürlicher und nachhaltiger Baumaterialien, wie Kalkputz, Schafwolle und Massivholz. Der notwendige Lift und die weiteren erforderlichen Einbauten wurden unter geringst möglicher Berührung der historischen Bausubstanz eingebaut.
Wesentliche Beachtung im Sinne der Nachhaltigkeit waren auch geringe Transportwege sowie eine regionale Wertschöpfung. Am deutlichsten zeigte sich das nachhaltige Wirtschaften im Dachaufbau bei der Entstehung von zukünftigem Sondermüll. Die ausschließliche Verwendung von massivem Vollholz und sägerauhen Brettern sowie Schafwolle an Stelle von Pressspanplatten und herkömmlichem Dämmmaterial konnte eine sagenhafte Bilanz von 1,10 Kubikmetern späteren Sondermülls gegenüber einem konventionellen Aufbau von 77,30 Kubikmetern gegenüberstellen. Die entsprechenden Berechnungen für das restliche Gebäude laufen derzeit.
Auf 750 Quadratmetern entstand ein Geschäfts- und Begegnungszentrum für nachhaltig wirtschaftende Betriebe oder HandwerkerInnen, denen leistbare und faire Mietflächen zur Verfügung gestellt werden können. Der Ehrgeiz des Betreibers war es, ein beispielgebendes Vorzeigeprojekt entstehen zu lassen, das nicht nur nach denkmalfachlichen Qualitätsvorgaben, sondern auch nach bauökologisch vorbildlichen Kriterien umgebaut wurde, und damit auch im Sinne der Nachhaltigkeitsidee betrieben wird.
Dieses Beispiel kann ein genereller erster Schritt zur Revitalisierung von Stadtkernen sein, in denen eine Vielzahl historischer Gebäude dem Verfall preisgegeben sind. Anhand des Beispiels der Restaurierung des „Zinngießer Hauses“ („Die Giesserei“) in Ried im Innkreis zeigt sich, dass Denkmalpflege und Nachhaltigkeit nicht nur zusammengehören, sondern untrennbar miteinander verbunden sind.