Nikolaus von Verdun hat es verfertigt
Hauptwerk der hochmittelalterlichen Email- und Goldschmiedekunst im naturwissenschaftlichen Fokus
In der Zeit von November 2022 bis Jänner 2023 wurde der sogenannte Verduner Altar in Stift Klosterneuburg, eines der herausragenden Kunstwerke der Email- und Goldschmiedekunst des europäischen Hochmittelalters, erstmalig materialwissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen. Das von Heike Schlie vom Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit der Universität Salzburg in Kooperation mit Wolfgang Huber, Kustos der Stiftssammlungen, initiierte und umgesetzte Projekt fand nun in einer hochkarätig besetzten Tagung seinen zwischenzeitlichen Abschluss.
Denkmalpflege heißt meist Abwägung: Diese musste seitens der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Bundesdenkmalamtes bei der Frage nach der Methodik der Untersuchung vorgenommen werden, galt es doch, neben noninversiven Verfahren, wie der von Manfred Schreiner von der Akademie der bildenden Künste umgesetzten Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) auch darüber zu entscheiden, ob, wie und in welchem Umfang Bohrspanproben zur Materialanalyse dem mittelalterlichen Bestand entnommen werden können. Um nun eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit den gleichfalls im Zusammenhang mit Nikolaus von Verdun stehenden Werken, Kölner Dreikönigenschrein und dem Marienschrein in Tournai, die beide von einem Team um Dorothee Kemper und Frank Willer untersucht wurden, zu gewährleisten, entschied man sich letztendlich, sieben Proben zu entnehmen und zur Analyse aufzubereiten.
Begleitet von Christoph Tinzl von der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Bundesdenkmalamtes zeichneten Willer und seine Kollegin Marina Westkamp vom LVR-LandesMuseum Bonn dabei nicht nur für die erfolgreiche Bohrspanbeprobung verantwortlich, sondern konnten auch mit ihren Erfahrungen mit Wirbelstrommessungen flächendeckend das Wissen um materielle Zusammenhänge an den vergoldeten Kupferplatten mit den Emailgestaltungen in Champlevé-Technik – mehrheitlich Bestand des späten 12. Jahrhunderts mit Ergänzungen von 1329, deren zeitliche Abklärung eine der Fragen des Projektes war – vertiefen. Eine Publikation der Ergebnisse und der Tagungsbeiträge ist geplant, weiterführende Forschung bleibt jedoch nach diesem ersten Einblick in materialtechnologische Zusammenhänge ein Desiderat.