Was bitte ist Schönbrunner-Gelb?
Diese Frage hat bei den an das Labor des Bundesdenkmalamtes regelmäßig gerichteten Fragestellungen sicher eine Top-Platzierung. Im Folgenden soll versucht werden, einige Mythen, die sich um diesen Begriff ranken, Fakten gegenüberzustellen.
Gelb als Farbe des Lichtes
Farbe entwickelte sich vor allem im Mittelalter zu einer Ausdrucksform mit hoher Symbolkraft. In einer Zeit, wo die wenigsten Menschen lesen und schreiben konnten, signalisierte man mit Farben zum Beispiel den sozialen Stand aber auch kulturspezifische Bedeutungen wie Trauer oder die liturgische Ordnung sind traditionell eng mit der Farbsymbolik verbunden. Farben bezeichneten auch ganze Bevölkerungs- oder Berufsgruppen. Die streng einzuhaltenden Kleidungsvorschriften umfassten auch die korrekte Verwendung von Farbe, die im Mittelalter grundsätzlich nur der Elite zustand.
In unserem Kulturkreis ist die Farbe Gelb üblicherweise positiv besetzt und wird mit der Sonne und damit mit Licht und Leben assoziiert. Auch in Goethes Farbenlehre steht sie dem Licht am nächsten. Im Gegensatz dazu stand im Mittelalter diese Farbe aber auch für Gift, Neid, Geiz und Verlogenheit. Gelb wurde heraldisch oft als Ersatz für Gold genutzt und findet sich in vielen Wappen. Andererseits wurden im Mittelalter auch gesellschaftlich ins Abseits gedrängte Gruppen wie zum Beispiel Juden und Prostituierte mit dieser Farbe markiert.
Die Farbe Gelb ist schon seit vielen Jahrhunderten eng mit dem Hause Habsburg verbunden. Das frühe Wappen des Hauses Habsburg zeigt einen schwarzen Doppeladler auf gelbem Grund, die Flagge trägt schwarz über Gold beziehungsweise Gelb.
Das "Schönbrunner-Gelb" ist ein Begriff - kein Farbton!
Viele Mythen ranken sich um den Frabton, der weder mit einem Farbcode definierbar ist, noch a priori mit Schönbrunn in Zusammenhang steht.
Maltechnologisch betrachtet, handelt es sich bei der heute an der Fassade des Schlosses Schönbrunn sichtbaren Farbe um zwei ockergelbe Farbfassungen. Die so genannte Nullfläche der Fassade trägt heute eine dunkelgelbe Fassung auf die hellgelbe Gliederungen wie Pilaster, Gesimse oder Fensterrahmungen aufgesetzt sind.
Das war jedoch nicht immer so: Im Wesentlichen sind bei dem Schloss (und seinen farbigen Fassadengestaltungen) drei unterschiedliche Bauphasen zu unterscheiden. Der erste Bau wurde nach der Zerstörung des alten Gatterschlosses durch die Türken 1683 unter Johann Bernhard Fischer von Erlach um 1700 fertiggestellt.
Bereits in der ersten Bauphase zeigte die Oberfläche eine orange-rötliche bis rosarote Färbelung, mit weiten Nuten der Rustikafugen, die auch mehrfach im Zuge von Renovierungen wiederholt wurde. Bereits in dieser Phase konnte eine hell-dunkle zweifärbige Gliederung der Fassade befundet werden, eine Systematik, die sich bis in die Gegenwart durchgehend erhalten hat.
Die erste Erweiterung erfuhr Schloss Schönbrunn unter Maria Theresia, die den Baumeister Nicolaus Pacassi ab 1748 mit diversen Umgestaltungen beauftragte. In dieser Zeit wurden die Fassaden mit dunklem, fast ins bräunliche reichendem Ocker gestrichen, wobei auch hier die zweifärbige Fassadengliederung kontinuierlich weitergeführt wurde. Diese Fassung mit dunklen Nullflächen und deutlich helleren Gliederungen ist auch gut auf der Ehrenhofansicht von Canaletto um 1760 zu erkennen. Wenngleich der damals verwendete Farbton etwas dunkler als die heute dargestellte Sichtfassung war, kann diese Bauphase des Schlosses als jene bezeichnet werden, bei der ockergelb als Fassung das erste Mal am Schloss auftritt.
Einem Mythos zufolge soll die 1770 mit Ludwig XVI. verheiratete Tochter Maria Theresias und Franz Stephans Maria Antonia (Marie Antoinette) das „Schönbrunnergelb“ nach Frankreich exportiert haben. Tatsache ist hingegen, dass Versailles, wie auch viele andere Schlösser Europas, bereits davor eine ockerfärbige Fassadenfärbelung trug und die zu diesem Zeitpunkt erst 15jährige damals vermutlich sicher andere Interessen (und Sorgen) hatte.
Generell kann auf Veduten gut beobachtet werden, dass in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, ockergelb eine dominierende „Modefarbe“ für Fassaden darzustellen scheint. Aus Darstellungen und durch bautechnische Untersuchungen ist bekannt, dass viele Schlösser und auch andere Gebäude zu dieser Zeit Ockergelb tragen.
Ein weiterer Mythos rankt sich um Joseph II. Nicht zitierten Quellen zufolge soll Joseph II. in einer Verordnung festgelegt haben, dass das Schloss Schönbrunn sowie alle Amtsgebäude des Reiches mit Gelbocker zu streichen wären um die in habsburgischem Familienbesitz stehenden böhmischen Ockergruben finanziell zu fördern. Tatsache hingegen ist, dass unter der 10-jährigen Regentschaft Josephs II. keine wesentlichen Veränderungen am Schloss nachweisbar sind. Schönbrunn wurde von Joseph II. nicht einmal bewohnt, weshalb eine farbliche Umgestaltung auch aus historischer Sicht als sehr unwahrscheinlich erscheint.
Der dritte Mythos rankt sich um das Pigment selbst. Bei Ocker handelt es sich um ein ubiquitäres Erdpigment, das entsprechend seiner chemischen Zusammensetzung in unterschiedlichen Farbwerten in praktisch ganz Europa natürlich auftritt. Darüber hinaus können durch moderate Temperaturbehandlungen (200 – 400°C) die Gelbwerte beliebig verändert werden. Dass die ockergelbe Farbe durch die Oxidation von grünem Kupfersulfat, das bei der Kupfererzgewinnung entsteht, erzeugt wird, gilt bedingt für einige skandinavische Regionen, wo diese Technologie eine lange Tradition hat, kann aber für Mitteleuropa aufgrund der in den letzten 30 Jahren durchgeführten tausenden im Labor des Bundesdenkmalamts chemischen Fassadenfarbanalysen ausgeschlossen werden. Durch Reaktion mit dem alkalischen Kalk entsteht zunächst das gelbe Eisen(III)-oxidhydroxid (FeO(OH)), welches durch weitere Oxidation den gelben Farbton liefert.
Kaiser Franz Joseph und "Schönbrunner-Gelb" als Kaisertreue
Im frühen 19. Jahrhundert (1808-1819) erfolgt eine dritte wesentliche Ausbauphase des Schlosses unter Johann Aman. In dieser Zeit ist die Fassade durch sandsteinfarbene Rauputz-Oberflächen charakterisiert, die auch von den früheren Farbgebung abweichen und eine hellgrau, leicht ins grünliche reichende Steinfassung tragen.
Nach dem Regierungsantritt von Franz Joseph 1848 folgt wieder eine Umgestaltung der Fassade in Gelbocker, wobei auch hier wieder die zweifärbige Gliederung beibehalten wird. Es ist durchaus denkbar, dass Franz Joseph, der unmittelbar nach der Revolution sein Amt angetreten hat, bewusst Rekurs auf die Farbgebung unter Maria Theresia genommen hat um damit ein politisches Zeichen zu setzen. Diese Farbgebung des Schlosses hat sich im Wesentlichen bis in die Gegenwart erhalten.
Gleichzeitig entwickelt sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts das „Schönbrunner-Gelb“ scheinbar zu einem Symbol einer bestimmten politischen Ausdrucksform. Durch die Verwendung dieser Farbe wurde Kaisertreue signalisiert, weshalb in dieser Zeit viele Gebäude sowohl des Adels als auch des Bürgertums gelb gefärbelt worden sind. Viele Gründerzeitvillen aber auch zum Beispiel die Marchfeldschlösser tragen „Schönbrunnergelb“.
Traditionell wurden über die Jahrhunderte (mit Ausnahme einer Restaurierung in den 1980er Jahren) die Anstriche am Schloss Schönbrunn mit Kalkfarbe durchgeführt, was - abgesehen von der besonderen Farbwirkung - zahlreiche bauphysikalische Vorteile für das Bauwerk hat. In Kombination mit einer Rieselputzoberfläche und der dadurch bedingten wechselnden Lichtreflexion entsteht ein lebendiges Farbspiel an der Putzoberfläche. Andere Farbsysteme wie Silikatfarben und Dispersionsfarben verblassen hier sprichwörtlich neben der Brillanz einer Kalkfarbe. Auch durch die Verwendung nicht historischer Pigmente wie Titanweiß (ein Pigment, dass heute vielfach Verwendung findet, jedoch erst seit den 1930er Jahren produziert wird) oder moderner synthetischer organischer Pigmente wird die historische Farbwirkung massiv beeinträchtigt. Heute legen die Schlossverwaltung und das Bundesdenkmalamt großen Wert auf eine materialgerechte Restaurierung durch die Verwendung historischer „originalgetreuer“ Materialien wie Kalkputz und Kalkfarbe.
Die hier beschriebenen Beobachtungen basieren auf einer 2004 durchgeführten Befundung der Fassade von Schloss Schönbrunn, die vom Labor des Bundesdenkmalamtes naturwissenschaftlich begleitet worden ist. Für die Denkmalpflege steht eine rosa, graue oder sonstige farbliche Umgestaltung der Schlossfassade außer Diskussion. Maßgeblich für die farbige Gestaltung eines Gebäudes ist grundsätzlich das mit der letzten wesentlichen baulichen Veränderung oder der historischen Nutzung eines Objekts in Verbindung stehende Erscheinungsbild. Die historische Bedeutung von Schönbrunn endet im November 1918, eben zu einer Zeit, als das Schloss in „Schönbrunnergelb“ gestrichen war.