Die Villa Mautner-Jäger
Auftakt zur Restaurierung einer Jahrhundertwende-Villa und Wiederbelebung der Salonkultur
Die Villa Mautner-Jäger erregte bereits zum Zeitpunkt ihrer Errichtung im Jahr 1902 großes Aufsehen. Zum einen aufgrund ihrer vom renommierten Architekten Franz Neumann architektonisch reizvoll gestalteten Anlage, zum anderen machte sie ihre Eigentümerin Hertha Jäger, geborene Mautner-Markhof, zu einem gesellschaftlichen und kulturellen Treffpunkt des repräsentationsfreudigen Wiener Großbürgertums. In den letzten Jahren fiel das leerstehende Gebäude jedoch vor allem aufgrund seines vernachlässigten Erhaltungszustandes auf. Nun soll die seit 1991 denkmalgeschützte Villenanlage eine temporäre kulturelle Belebung und in weiterer Folge eine qualitätvolle Generalsanierung erfahren.
Derzeit laufen umfassende Projektvorbereitungen unter fachlicher und wissenschaftlicher Begleitung des Bundesdenkmalamtes. Basierend auf Archivrecherchen wird die Baugeschichte erforscht: Es werden die gestalterischen Qualitäten der bauzeitlichen Substanz kunstgeschichtlich eingeordnet und der historische Bestand detailliert erfasst. Restauratorische und naturwissenschaftliche Untersuchungen der Wand- und Deckenoberflächen sowie der verbliebenen wandfesten Ausstattung liefern Erkenntnisse über das ursprüngliche Erscheinungsbild von Fassaden und Innenräumen und technischen Details.
„Die Herausforderung besteht darin, den historischen Bestand nachhaltig instand zu setzen, für die Ansprüche eines modernen Familienwohnsitzes im 21. Jahrhundert zu adaptieren und zugleich seine geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung zu bewahren.“ Manuela Legen-Preissl, Landeskonservatorat für Wien
Architektur und Ausstattung
Die Villa Mautner-Jäger stellt einen bedeutenden Wiener Villenbau der Jahrhundertwende in Mitten der großstädtischen Zeilenverbauung der Landstraßer Hauptststraße dar; geprägt zu einem großen Maße von ihrer Eigentümerin und Bauherrin. Hertha Jäger war eine emanzipierte Frau der Wiener Gesellschaft, Vorstandsmitglied des Bundes österreichischer Frauenvereine und verheiratet mit Gustav Jäger, einem Physiker und Universitätsprofessor.
Bestehend aus einem Wohnhaus, seinem Pförtnerhäuschen einem dazwischenliegenden Hof mit Einfriedung und dem malerischen Garten entspricht die Villenanlage dem Charakter eines barocken Gartenpalais. Im Kontrast dazu übernimmt Franz Neumann als Baustruktur der Villa den Typus eines Schweizer Cottage Hauses und führt diesen erstmals in die späthistoristische Stadtvillenarchitektur ein. Durch die kreuzförmigen einander durchdringenden Baukörper unterschiedlicher Gestalt und Höhen entsteht eine malerische Silhouette. Diese wird durch die repräsentativen Mansarddächer und Vasenaufsätze zusätzlich betont. Dieses Zusammenspiel zwischen Tradition und Moderne lässt sich an der gesamten Anlage bis hin zum Dachwerk oder der historischen Kegelbahn im Garten nachvollziehen.
Im Inneren ist die funktionelle Zweiteilung des Raumgefüges beachtlich, die sich auch anhand der Ausstattung nachvollziehen lässt: Die über zwei Etagen verteilten herrschaftlichen und repräsentativ ausgestatteten Räume, wie Salon, Speisezimmer, Bibliothek, Billardzimmer oder Schlaf- und Kinderzimmer, sind der lichtdurchfluteten Gartenseite zugewandt. Der Wohnkomfort wird durch einen Wintergarten und zwei großzügige Terrassen noch zusätzlich ergänzt. Die Erschließung sowie die einfacher gestalteten Räume für Service und Personal orientieren sich zur Straße. Großzügige zentrale Vorhallen vermitteln in jedem Geschoss zwischen den beiden „Welten“.
Während bei der Fassadengestaltung des Villengebäudes noch auf neobarocke Formen zurückgegriffen wird, setzte die Villenbesitzerin bei der Inneneinrichtung ihres Hauses bereits auf die heimische Avantgarde. Diese war ihr aufgrund persönlicher Verwandtschaftsverhältnisse zu Koloman Moser, der ihr Schwager war und ab 1905 in direkter Nachbarschaft, nämlich im Gartentrakt von Herthas Elternhauses lebte, sehr vertraut. Dies bezeugen zum Beispiel die im Museum für angewandte Kunst befindlichen Einrichtungsentwürfe für den Salon der Villa Jäger von Anton Kling, einem Schüler Gustav Klimts, aus dem Jahr 1908.
Auch die verbaute Haustechnik war am Puls der Zeit. Neben Gaskachelöfen und einem modernen Viktorin-Küchenherd mit alternativer Gasbefeuerung illustriert dies der bis heute unverändert erhaltene Speiseaufzug der Wiener Firma Freissler. Anton Freissler war ein Pionier für Aufzugstechnik in der Donaumonarchie.
Ausblick
Bereits die ersten Untersuchungsergebnisse lassen also auf eine innovative Bauherrin und deren buntes Familien- und Kulturleben in der Villa Mautner-Jäger schließen. Überraschend ist der fast unvermindert erhaltene Bestand an originaler Bausubstanz. Nun gilt es adäquate, auf das Denkmal abgestimmte planerische und restauratorische Maßnahmen zu finden, die ein sensibles Zusammenspiel aller Anforderungen hinsichtlich Bautechnik, Bauphysik, Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit, Sicherheit und geänderter Bedürfnisse nach modernem Wohnkomfort unter möglichst großem Erhalt der bemerkenswerten originalen Substanz ermöglichen.
Mit der geplanten Sanierung und neuen Nutzung dieses Kulturguts wird die Villa Mautner-Jäger vor dem Verfall gerettet. Während der Planungs- und Entwicklungsphase öffnet die Villa mit der nun stattfindenden künstlerischen Zwischennutzung, kuratiert von der Galerie node contemporary, ihre Tore. Den Anfang macht die Künstlerin Michaela Schwarz-Weismann.
Die Villa Mautner-Jäger kann am Sonntag, den 24. September 2023, im Rahmen des vom Bundesdenkmalamt koordinierten Tag des Denkmals besichtigt werden.