Schütte-Lihotzky-Wohnung unter Denkmalschutz

Seit kurzem steht die Wiener Wohnung der international berühmten Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897 – 2000) unter Denkmalschutz.

Schütte-Lihotzky plante ihre Mietwohnung im damals neu errichteten Genossenschaftsbau im 5. Wiener Gemeindebezirk vom Grundriss bis zur Einrichtung genau nach ihren Vorstellungen. Sie verbrachte hier von 1970 bis 2000 dreißig Lebensjahre.

Von 2000 bis 2020 bewohnte die Kunsthistorikerin Ulrike Jenni die Räumlichkeiten – die Raumaufteilung blieb unverändert und auch viele der Möbel Schütte-Lihotzkys in ihrer ursprünglichen Funktion erhalten, die nun von ihrer Erbin für die zukünftige Nutzung zur Verfügung gestellt wurden.

Die in Wien geborene Schütte-Lihotzky gilt bis heute als bedeutendste Architektin Österreichs. Ihr bewegtes Leben als Architektin, Friedensaktivistin, Frauenrechtlerin, Kommunistin und Widerstandskämpferin führte sie unter anderem nach Frankfurt, Moskau, Japan, China, London, Paris, Istanbul, Sofia und Berlin. Die von ihr entwickelte, weltberühmte „Frankfurter Küche“, der Urtyp der modernen Einbauküche, findet sich mittlerweile in zahlreichen Museen.

Schütte-Lihotzky plante bereits in den 1920er-Jahren Wohnungen für die „berufstätige Frau“ und Wohnungen für das Existenzminimum, also kompakte Kleinst- und Kleinwohnungen mit einer geringen Wohnfläche, aber mit einer äußerst ökonomischen Raumaufteilung und nach Möglichkeit mit einem direkten Zugang zu einer Freifläche. Das Oeuvre von Margarete Schütte-Lihotzky ist von einem starken sozialen Engagement geprägt und zeichnet sich durch Einfachheit und Funktionalität aus. Die Wiener Architektin und Stadtplanerin Dr.in Gabu Heindl fasst zusammen: „Schütte-Lihotzky hat sich Zeit ihres Lebens für soziale Gerechtigkeit eingesetzt, konkret für bessere Wohn- und Lebensbedingungen der Menschen, für hohe gestalterische Qualität im Siedlungsbau, bei Kindergärten und Schulen, für fairen Zugang zum Wohnen und für Frauenrechte ebenso wie für ein antifaschistisches Österreich und Europa.“

Wien verdankt Margarete Schütte-Lihotzky spannende Bauten. Sie war wesentlich bei der Planung des 1954 eröffneten, modernen Globus-Druckerei- und Verlagsgebäudes am Höchstädtplatz 3 beteiligt, ein wichtiges Dokument der Nachkriegszeit und bei seiner Grundsteinlegung „Haus der Wahrheit“ genannt. Die Hauptgebäude des Globus-Verlags konnten durch eine Unterschutzstellung im Jahr 2018 vor dem Abbruch gerettet werden.

In der international bedeutenden Wiener Werkbundsiedlung ist Architektin Schütte-Lihotzky mit einem Haus in der Woinovichgasse 2 und 4 vertreten (Denkmalschutz seit 1978). Schütte-Lihotzky, die auch mit Adolf Loos zusammenarbeitete, plante in den 1920er-Jahren mit anderen den Gemeindebau Otto Haas Hof in der Winarskystraße 16-20 im 20. Bezirk.

Eine besondere Expertise entwickelte Schütte-Lihotzky für Schul- und Kindergarten-Bauten. In Wien plante sie zum Beispiel den Kindergarten am Kapaunplatz aus dem Jahr 1952 und den 1964 errichteten Kindergarten in der Rinnböckstraße 47 in Simmering.

„Die nun unterschutzgestellte Architektinnen-Wohnung spiegelt mit ihrer ökonomischen Raumstruktur die politische Weltanschauung der bedeutendsten Architektin Österreichs wider. Daher besitzt die Wohnung an sich nicht nur einen enormen Seltenheitswert, sondern ist auch als Architektinnen-Wohnung einzigartig in Österreich“ erklärt Mag.a Sabine Weigl vom Bundesdenkmalamt. Obwohl die bis ins kleinste Detail durchdachte Wohnung nur 55 Quadratmeter aufweist, wirkt sie großzügig und atmosphärisch. Die Verbindung von räumlicher Ökonomie und größtmöglichem Wohnkomfort beruht einerseits auf der Tradition des sozialen Wohnbaus der 1920er-Jahre, weist aber anderseits gleichzeitig den Weg zur lebenswerten Smart-Wohnung der Zukunft.

Es ist sehr selten, dass es gelingt, eine solche Wohnung zu retten und mit großteils erhaltener Originalausstattung unter Denkmalschutz zu stellen. Bei der Wohnung der weltberühmten Architektin Margarete Schütte-Lihotzky ist es nun gelungen. Frau Dr.in Bettina Pinkawa, die das Verfahren in der Rechtsabteilung des Bundesdenkmalamtes geführt hat, stellt fest: „Im Laufe des Unterschutzstellungsverfahrens ist die Wertschätzung dieser tollen Architektin bei allen beteiligten Parteien, auch bei mir selbst, noch gewachsen.“

„Alle Beteiligten waren von Anfang an sehr interessiert und unterstützten das Vorhaben“, resümiert DI Wolfgang Salcher vom Bundesdenkmalamt. Vor allem die Eigentümervertreter waren dem Vorhaben sehr positiv aufgeschlossen: „Es ist ein Glücksfall, dass wir einen Beitrag zur Bewahrung der „Schütte-Lihotzky Wohnung“ leisten konnten - einem Architekturjuwel für alle Architekturinteressierten in unserer schönen Stadt Wien. Die Weiterentwicklung und Sanierung historischer Baustrukturen ist eine unserer Kernkompetenzen und zusammen mit dem Bundesdenkmalamt konnten wir über viele Jahre hinweg bereits einige besondere Projekte zusammen umsetzen.“

Die zukünftigen Nutzerinnen vom Margarete Schütte-Lihotzky Club haben das Vorhaben besonders positiv und engagiert betrieben und unterstützt. „Der gute Geist von Margarete Schütte-Lihotzky scheint alle angenehm angesteckt zu haben“, so Salcher weiter.

Oft ist es schwierig, eine passende Nutzung für solche Wohnungen zu finden. Was ist nun für die Zukunft in der Wohnung von Schütte-Lihotzky vorgesehen? Hier soll nun ein Schütte-Lihotzky-Zentrum entstehen. „So wird es möglich sein, basierend auf den detaillierten Originalplänen Schütte-Lihotzkys und dem aussagekräftigen Archivmaterial gemeinsam mit den nun beginnenden restauratorischen Untersuchungen, die Architektinnen-Wohnung als ein authentisches Denkmal präsentieren zu können“, so Mag.a Manuela Legen-Preissl vom Bundesdenkmalamt.

„Die Wohnung ist ein besonderes architektonisches Juwel und ein einmaliger Ort in Wien, der für Interessierte zugänglich sein soll. Die Wohnung soll in ihrer gesamten Qualität in den Zustand, wie Margarete Schütte-Lihotzky sie nutzte, wiederhergestellt und erfahrbar gemacht werden.“ so Frau DI.in Christine Zwingl vom Margarete Schütte-Lihotzky Club. Die Intentionen der Architektin zum Wohnen werden hier erlebbar, die auf ökonomischen und sozialen Raumlösungen beruhen, die Frauen einen selbständigen Arbeits- und Lebensbereich ermöglichen und die Moderne mit tradierter Wiener Wohnkultur verbinden. Mit dem hier nun angesiedelten, neuen Schütte-Lihotzky Zentrum soll ein informativer kommunikativer Ort geschaffen werden, mit dem Schwerpunkt der Forschung zur Geschichte österreichischer Architektinnen und Basis für den Austausch zu diskursiven und innovativen Themen der Architektur und der Gesellschaft.

Das Schütte-Lihotzky Zentrum in 1050 Wien, Franzensgasse 16/40, Margarete Schütte-Lihotzkys letzte Wohnung, wird künftig an einem Tag in der Woche besucht werden können, Veranstaltungen werden angekündigt. Die Bespielung wird in Kooperation mit dem Architekturzentrum Wien erfolgen. Die Kooperation und bewährte Zusammenarbeit mit Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien, die den umfassende Nachlass Margarete Schütte-Lihotzkys aufbewahrt, wird dadurch erweitert.

Die denkmalgeschützte Wohnung ist somit nicht nur ein wichtiges österreichisches Kulturgut, sondern erfüllt auch in der Vermittlung dieses Erbes eine wichtige Rolle.

Margarete Schütte-Lihotzky: „Ich habe mir nie vorgestellt, Bahnhöfe oder Kulturpaläste zu bauen. Ich wollte Architektin werden, weil ich zur Linderung des Wohnungselends beitragen wollte.“