Historischer Luftbrunnen im Burgtheater (Wien)
Energieeffiziente Lufthygiene aus dem 19. Jahrhundert
Der Militärarzt und Chirurg Dr. Carl Böhm hatte bereits im 19. Jahrhundert die Thematik einer hygienisch notwendigen und krankheitspräventiven Lüftungs- und Heizungstechnik erkannt. Im Josephinum führte er ab 1860 Experimente und Untersuchungen zur Lufthygiene durch. Carl Böhm leitete in weiterer Folge die Rudolfstiftung und später das AKH. Zu dieser Zeit galt er in Wien, aber auch im süddeutschen Raum, auf dem Gebiet der „Gesundheitstechnik“ – der Krankheitsprophylaxe durch Lufthygiene – als Autorität.
Das Burgtheater war nach der Hofoper der zweite große Ringstraßenbau, der nach seinem Grundsatz der Lufthygiene ausgestattet wurde. Zahlreiche weitere Projekte wie die beiden Hofmuseen, Börse, Parlament und zuletzt die Neue Hofburg als Wohntrakt der kaiserlichen Familie folgten.
Das Wiener Burgtheater verfügt noch heute über diese aus der Errichtungszeit stammende Luftbrunnenanlage zur Frischluftversorgung des Zuschauerraumes. Dabei wird Frischluft im nahegelegenen Volksgarten angesaugt und über einen unterirdischen Gang und Bodenauslässe in den Zuschauerraum geführt. Warme, verbrauchte Luft wird über die Decke und eine drehbare Öffnung beim Blasengel auf dem Dach abgeführt.
Einer der Vorzüge des Böhm'schen Belüftungssystems im Burgtheater besteht darin, dass die Zuluft großflächig durch den Boden des Parketts einströmt und sogleich senkrecht nach oben durch die Decke abgeführt wird. Dabei kommt es zu keiner Querverteilung kontaminierter Luft und das Infektionsrisiko wird minimiert.
In der Zusammenschau mit dem Forschungsprojekt "Restart-19" der Martin-Luther-Universität Halle an der Saale (Deutschland), das untersucht, unter welchen Bedingungen Hallenveranstaltungen mit Publikum in Corona-Zeiten wieder stattfinden können, wird nun erkennbar, wie Forschungsergebnisse zur Energieeffizienz historischer Baukonstruktionen plötzlich auch für die Bewältigung der aktuellen CORONA Situation Bedeutung erlangen können.